LIF: Shift of uses

Eine Strategie zur funktionalen Nachverdichtung von Einfamilienhaussiedlungen


Projekt zusammen mit Victoria Holzinger

 

Kleinstädte wie Lichtenfels bergen unerwartetes urbanes Potenzial – nicht nur in den Zentren, sondern gerade in den meist monotonen Wohnsiedlungen. Lichtenfels wird zum Prototyp eines Gedankenexperiments, das Paul Eis gemeinsam mit Victoria Holzinger entwickelt hat und zeigt, mit welchen Tools eine lebendige Nachverdichtung gelingen kann – ohne auch nur einen Quadratmeter zusätzlich zu bauen.


Einfamilienhaussiedlungen bergen ein enormes, bislang verstecktes Potenzial: ungenutzte Räume. Ob ein einzelnes Zimmer, eine Einliegerwohnung, eine Garage oder sogar ein ganzes Stockwerk, das nicht mehr genutzt wird, weil die Bewohner:innen keine Treppen mehr steigen können — für jeden Raum lässt sich eine passende Nutzung finden, die die Siedlung mit neuen Funktionen bereichert!

Welche Funktionen können in Leerständen in Einfamilienhäusern untergebracht werden

Einfamilienhäuser werden meist — wenn überhaupt — nur für kurze Zeit von mehr als zwei Personen gleichzeitig bewohnt. Sobald die Kinder ausgezogen sind oder nach einer Trennung bleibt das Haus oft fast leer. Ein Zustand, der nicht zuletzt auch finanziell zur Belastung werden kann. Denn alle Räume müssen weiterhin beheizt und instand gehalten werden. Dennoch ist der Umzug in eine kleinere Wohnung meist nur eine Notlösung. Zu stark ist die emotionale Bindung an das eigene Haus, die Erinnerungen oder den liebevoll gepflegten Garten.

Diagram, welches den typischen Lebenszyklus eine Einfamilienhauses zeigt

Zu große Häuser, die im Alter oft eine erhebliche finanzielle Belastung für ihre Bewohner:innen darstellen, können so zu einer einfachen Möglichkeit werden, ein zusätzliches Einkommen zu generieren. Entscheidend für den Erfolg dieser Strategie ist eine attraktive Vermittlung. Diese könnte über eine Art Agentur erfolgen, die alle Schritte begleitet: von der Ermittlung geeigneter Nutzer:innen über Umbaumaßnahmen bis hin zu wirtschaftlichen und vertraglichen Fragen.

Animation, die die Vermittlung von leeren Räumen zu neuen Nutzern erklärt

Damit Räume in Einfamilienhäusern unkompliziert und ohne große Bauarbeiten in hochwertige Arbeits- oder Wohnräume umgenutzt werden können, braucht es einen Katalog an Bauteilen, die modular und flexibel einsetzbar sind. Sie decken alle Bedürfnisse ab: Erschließung, Belichtung, Abtrennen oder Zusammenführen von Räumen bis hin zur sanitären Infrastruktur.

Bauteilkatalog für alle Module, die benötigt werden um Räume in Einfamilienhäusern umbauen zu können

Die Erweiterung von Wohnsiedlungen um neue Funktionen schafft einen völlig neuen Lebensstil. Während früher Arbeit, Freizeit und andere Aktivitäten fast ausschließlich mit dem Auto erreichbar waren, können viele Dinge nun in der direkten Nachbarschaft stattfinden. Neben dem Vorteil kürzerer Wege entstehen neue Gemeinschaften: Das „nebeneinander Wohnen“ wird zu einem „miteinander Wohnen“.

 

Vorher-nachher Bilder von Einfamilienhäusern, die zu neuen Nutzungen umgebaut wurden

Die Anreicherung mit öffentlichen Funktionen bringt nicht nur eine bessere Versorgung der Nachbarschaft, sondern öffnet auch die bislang monotone Siedlungsstruktur. Ob Zäune tatsächlich entfernt oder nur in den Köpfen überwunden werden, ist dabei fast nebensächlich. Vorher rein private Grundstücke können nun betreten werden, Grenzen verschieben sich, und es entstehen neue Verbindungen — sowohl räumlich als auch zwischenmenschlich.

Axonometrie von Lichtenfels, wie es sich transformieren könnte

Die Transformation einer Wohnsiedlung vollzieht sich schrittweise über einen längeren Zeitraum. Zunächst ziehen einzelne „Pioniere“ ein. Sie verändern bereits den Charakter der Siedlung und durchbrechen ihre Monotonie. Angestoßen durch diese Entwicklung und die verbesserten Standortbedingungen kommen weitere Funktionen hinzu, die nach und nach eine echte Urbanität entstehen lassen.

Animation wie sich eine Nachbarschaft von Einfamilienhäusern hin zu einem urbanen Raum wandelt

Mit der Auflösung der klassischen „Wohnsiedlung“ eröffnet sich die Möglichkeit, Stadtplanung neu zu denken. Während Städte heute meist in klar getrennte Planungsgebiete unterteilt sind — Wohnen, Gewerbe, Industrie etc. —, ermöglicht die Durchmischung dieser Funktionen eine präzisere und zugleich sanftere Entwicklung. Ein Überblick über Leerstände kann helfen zu erkennen, ob Orte überlastet oder unterlastet sind, und mit gezielten Förderungen lässt sich eine Veränderung anstoßen. Städte werden so von einer Ansammlung funktionaler Teilgebiete zu organischen Netzwerken, die sich ganzheitlich entwickeln können.

Stadt als organisches Netzwerk